Epigenetik Stress: Was unser Erbgut unter Druck setzt

Epigenetik Stress

Immer höher, immer weiter, immer schneller – das Leben in der digital-globalen Zeit ist geprägt von Leistungsdruck und Stress. Nicht umsonst bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation (engl.: World Health Organization; kurz: WHO) den Stressfaktor als eine der aktuell größten Gesundheitsgefahren für den Menschen.

Entsprechende Prognosen gehen davon aus, dass psychische Belastungen und Stress in den kommenden Jahren den Großteil aller Krankmeldungen ausmachen werden.

Dies liegt daran, dass Stressfaktoren auch auf die Regulation und Aktivität von Genen einwirken. Das führt dann häufig auch zu körperlichen Beschwerden und Problemen, wie zum Beispiel Übergewicht. Um diesbezüglich entgegenzuwirken, solltest Du Dich näher mit der Epigenetik und Stress befassen.

Wie ist der Begriff Epigenetik im Allgemeinen einzuordnen?

Grundsätzlich setzt sich dieser Begriff aus den beiden Wörtern Epigenese (Entwicklung eines Lebewesens) und Genetik zusammen. Dabei kannst Du darauf basierende Faktoren und Maßnahmen durchaus als Bindeglied zwischen Genen und Umwelteinflüssen interpretieren.

Sie bestimmen genau genommen mit, wann und unter welchen Voraussetzungen beziehungsweise Umständen welches Gen aktiviert oder im umgekehrten Fall stumm geschaltet wird. Hier geht es also um eine Genregulation. Gerade eine Regulation der Gene stellt dabei ein grundsätzliches Thema in der Epigenetik dar.

Klar ist: Gene haben nicht nur eine Steuerungsfunktion, sie werden auch selbst gesteuert. Dies ist gerade für die Verarbeitung der verschiedenen Stressarten und der körpereigenen Stressantwort von entscheidender Bedeutung.

Epigenetisch bedingte Prozesse als aufstrebender Forschungszweig der Biologie

Das Genom des Menschen umfasst insgesamt rund 25.000 Gene. Eine Entschlüsselung des Genoms erklärt aber längst noch nicht, warum der eine Mensch schlechter oder besser mit den verschiedenen Stressarten zurechtkommt als ein anderer Mensch. Das lässt sich noch mehr ausweiten, wie zum Beispiel bei der Thematik Epigenetik und Krebs.

Haben zwei Menschen das gleiche Krebs-Gen, heißt das noch lange nicht, dass auch beide Menschen an Krebs erkranken. Es kann genauso gut nur einen der beiden Personen treffen. Warum das so ist, lässt sich mithilfe von epigenetischen Ansätzen erklären. Diese Erklärung bildet mittlerweile längst einen aufstrebenden Forschungszweig der Biologie dar.

Beispiel Zwillinge: Gleiche Gene, aber unterschiedliche Aktivierung

Demnach verfügt jeder Mensch über rund 200 Zelltypen. In nahezu jeder Zelle lässt sich immer dieselbe DNA-Sequenz identifizieren. Demgegenüber sind aber nicht alle Gene in jeder Zelle aktiv. Die den Menschen erst ausmachende primäre Information ist zwar nach wie vor die Gen-Sequenz.

Das kannst Du zum Beispiel alleine schon an Zwillingen erkennen. Denn ohne die gleiche DNA-Sequenz wären sich eineiige Zwillinge ansonsten nicht äußerlich so ähnlich und vor allem auch nicht genetisch identisch. 

Epigenetische Veränderungen sorgen aber auch in diesen Fällen dafür, dass lediglich einer der Zwillinge weitaus anfälliger für zum Beispiel Stress oder Diabetes wird. Übrigens: Gerade mit Diabetes und Epigenetik beschäftigen sich aktuell besonders viele Ernährungswissenschaftler.

Eine Studie von skandinavischen Forschern bestätigt diese Erkenntnisse. Sie untersuchten im Rahmen einer Vergleichsstudie gleiche Zwillingspaare, welche ein Alter von drei bis insgesamt 74 Jahren aufwiesen.

Das Ergebnis der Untersuchung zeigte deutlich auf, dass die ältesten Zwillinge immense Unterschiede im Hinblick auf den epigenetischen Code aufwiesen. Bei den jüngsten Zwillingen gab es dagegen kaum Unterschiede in ihren epigenetischen Codes. 

Daraus lässt sich klar ableiten: Zwillinge machen in ihrem Leben unterschiedliche Erfahrungen und verschiedene Dinge durch. Sie befinden sich in jeweils anderen Lebenssituationen beziehungsweise Lebensumständen. Auf dieser Basis entwickeln sich die epigenetischen Codes dann auch mitunter in völlig verschiedene Richtungen.

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Wie ist der Code aufgebaut und wie funktioniert er?

Aber wie musst Du Dir einen solchen Code überhaupt vorstellen? Das bekannteste Funktionsprinzip ist die so bezeichnete Methylierung. Dabei docken Methylgruppen aus drei Wasserstoffatomen und einem Kohlenstoffatom in Form von kleinen Molekülen an den jeweiligen DNA-Strang an. 

Durch dieses Andocken beziehunsweise Anheften verhindern die Moleküle das Ablesen der nachfolgenden Gensequenzen. Diese können dadurch nicht in ein Protein übersetzt werden. Das Gen wird also quasi ausgeschaltet.

Auch eine sogenannte Histon-Acetylierung besitzt einen vergleichsweise großen Stellenwert bei der Codierung und Markierung. Dazu musst Du wissen: Der Zellkern ist winzig klein, während ein DNS-Strang eine Länge von rund zwei Metern aufweist. Damit dieser überhaupt in einen Zellkern passt, muss er außerordentlich dicht gepackt werden. 

Der Strang windet sich daher oftmals um mehrere Hunderttausend Perlen. Forschung und Wissenschaft bezeichnen die daraus entstehenden Gebilde als Histonkomplexe.

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Das Epigenom als zweiter Code neben der genetischen Codierung

Bevor die sich dort befindenden Gene wieder aktivieren lassen, muss das Erbgut komplett entpackt werden. Jetzt greifen die Acetylgruppen in das Geschehen ein. Sie lockern den DNS-Strang und machen dadurch die Gene wieder lesbar. Diese Stellen werden auf der Karte des menschlichen Genoms dann mithilfe der Sondermoleküle markiert. 

Somit erhält das Epigenom eine zweite Codierung neben dem genetischen Code. Allerdings gibt es noch weitaus mehr Codes und Markierungen: Du beziehungsweise Dein Körper besitzt unzählige Epigenome. Eine Gensequenz ist zwar gleich, die Markierungen unterscheiden sich aber mitunter deutlich.

Umwelt- und Stressfaktoren beeinflussen die Genregulierung

Auf die Regulierung der jeweils vorliegenden Gene nehmen Umweltfaktoren und beispielsweise auch Stressfaktoren unterschiedlich großen Einfluss. Zu den einflussreichsten Komponenten zählen dabei das eigene Körpergewicht, die Ernährung oder auch die Bewegung. 

Psychische Belastungen, Stress und Traumata wirken zudem besonders stark auf das Erbgut. Dies geschieht beispielsweise häufig durch das Anhängen der besagten Methylgruppen. Daraus lässt sich schließen, dass unser Lebensstil die Epigenetik stark beeinflussen kann.

Bereits die erste Studie zu dieser Thematik erbrachte wegweisende Ergebnisse

Vor etwa 20 Jahren erbrachte eine erste Studie den Nachweis dafür, dass auch körperliche Regulationsmechanismen und Systeme, die an der psychobiologischen Stressantwort beteiligt sind, durch epigenetische Vorgehensweisen und Prozesse beeinflussbar sind.

Die Autoren der Studie bewiesen dabei, dass es bei Ratten immer dann zu einer veränderten Methylierung des Protein-Kodierungsgen Nr3c1 kommt, wenn ein reduziertes mütterliches Versorgungsverhalten vorliegt. 

Außerdem beeinflusste das mütterliche Versorgungsverhalten auch die HHNA-Reaktivität auf akutes Stressaufkommen beim Nachwuchs. Diese Studie beziehungsweise die Studienergebnisse gelten heute als wegweisend für das Entstehen der Forschungsfelder Epigenetic in Bezug auf Mental Pressure sowie Behavioral Epigenetics.

Besonders hohe Vulnerabilität und Plastizität in frühen Entwicklungsphasen

Seither zeigen zahlreiche Studien – auch bei Menschen – auf, dass eine veränderte Exposition zu Umwelteinflüssen gleichzeitig auch einen mitunter großen Einfluss auf Prozesse epigenetischer Art ausübt. Demnach gibt es Einflüsse von Stress auf epigenetische Prozesse in Genen, welche relevant für die psychische Gesundheit sind.

Dazu zählen insbesondere in pränataler, frühkindlicher und in frühen Lebensphasen erlebter Stress. Eine Vielzahl der Veröffentlichungen und Ausarbeitungen im Segment der Behavioral Epigenetics fokussiert sich dabei auf pränatal oder frühkindliche Einflussfaktoren.

Das hat einen triftigen Grund: In diesen Phasen der Entwicklung besteht laut entsprechenden Studienergebnissen eine besonders hohe Vulnerabilität und Plastizität. Die bis dato vorliegenden Ergebnisse und Erkenntnisse zu diesen Einflüssen betrachtet die Wissenschaft aufgrund der Menge und Vielfalt an Befunden als robust repliziert.

Epigenetische Prozesse verändern auch das Stressverhalten bei Erwachsenen

Die zur Methylierung notwendigen Enzyme (hier: Methyltransferasen) bleiben allerdings auch im Gehirn von Erwachsenen weiter aktiv. Dies konnte in Studien an Menschen bereits mehrfach nachgewiesen werden. Besonders beachtet wird dabei eine Studie unter Federführung von Kimberly D. Siegmund

Im Rahmen dieser und auch weiteren Studien zeigen die beteiligten Wissenschaftler und Forscher deutlich auf, dass zum Beispiel traumatischer (hier Epigenetik und Trauma), sozioökonomisch bedingter, arbeitsbezogener oder chronischer Stress die Methylierung verschiedenster Kandidatengene im Erwachsenenalter verändern können.

Epigenetischer Background für Gedächtnisprozesse und Akutstress

Zudem legen einige frühere Studien nahe, dass aktive Methyltransferasen im Erwachsenenalter konkret an der Steuerung behavioraler und neuronaler Adaptionen beteiligt sind. Dies ist demnach der Fall bei Gedächtnisprozessen, bei der im Alter abnehmenden kognitiven Leistungsfähigkeit sowie ebenfalls bei depressivem Verhalten

Inzwischen liegen auch erste Nachweise vor, dass sogar so bezeichneter Akutstress einen konkreten Einfluss auf die globale DNA-Methylierung sowie die Methylierung bestimmter Kandidatengene hat.

Akutstress kann einen Einfluss auf die Gene haben

Die Rolle von Stressfaktoren und epigenetisch bedingten Veränderungen in der Arbeitswelt 4.0

Ist Dir eigentlich bewusst, dass Stresssituationen auch im Arbeits- und Berufsleben einen direkten Einfluss auf den genetischen Bauplan der Beschäftigten in einem Unternehmen ausüben? Dies spiegelt sich im Rahmen der Marktfähigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen wider.

Eine moderne Arbeitswelt ist geprägt von Digitalisierung und Automatisierung durch neue KI-Errungenschaften. Die Wirkung dieser so bezeichneten Arbeitswelt 4.0 auf die Menschen ist vielschichtig und tiefgreifend, manchmal auch fatal.

Eine schnellere Abfolge der Entwicklungen im digitalen Bereich, die stetig wachsende Agilität, die Angst um den Arbeitsplatz aufgrund der Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz und nicht zuletzt auch die Verschmelzung von Lern- und Arbeitsprozessen erfordern ein Umdenken und Anpassen.

Die sich im Wandel befindende Arbeitssituation ist ein echter Booster für Stresssituationen

Das trifft sowohl auf ganze Organisationen als auch auf Führungskräfte und die gesamte Belegschaft zu. Ob Unternehmer, Selbstständige, Führungskräfte, Angestellte oder Freiberufler – das notwendige Anpassen an die sich stark veränderten Rahmenbedingungen hat Folgen für jedes einzelne Individuum.

Wandel und Veränderungen gehen auch mit neuen Anforderungen respektive Herausforderungen einher. Die Gesamtsituation löst bei vielen Menschen unterschiedliche Stressarten aus, welche sogar in die eigene genetische Struktur eingreifen können. 

Bekannt ist schon lange, dass gerade toxische Stressfaktoren die Leistungsfähigkeit von Hirn und Körper mitunter stark reduziert.

Innerhalb von Minuten kommt es zu Funktionsänderungen im Hinblick auf die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit. Stress aktiviert im Grunde unsere Urinstinkte, sodass sich die zur Verfügung stehende Energie auf die Überlebensfunktion fokussiert.

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Erkenntnisse aus der Epigenetik als Schlüsselfaktoren

Dies führt gleichzeitig dazu, dass nicht genug Kraft und Energie für die Anpassung an die Veränderungen vorhanden ist. Erkenntnisse aus der Epigenetik können hier zukünftig eine Schlüsselrolle einnehmen. 

Denn das Genom der Entwicklung von Lebewesen ist in der Lage, das eigene Verhalten und auch unsere Handlungs- und Lernfähigkeit durch gemachte Erfahrungen genetisch zu verändern.

Eigene Erfahrungen und Umweltsignale verändern die Stressantwort

Die von Dir gemachten Erfahrungen gestalten im Verbund mit Umweltsignalen Deine Gene im Laufe Deines Lebens direkt um. Gleichzeitig wirken diese Einflüsse auch auf die menschliche Physiologie, die Kognition sowie die neuralen Funktionen. 

Das bedeutet: Die Art und Weise, wie ein Mensch mit Stresssituationen und Herausforderungen umgeht, wie er berufliche Tätigkeiten ausführt beziehungsweise ausübt und wie viel zusätzliches Wissen er dabei erlangt, wird verändert.

Epigenetik Stress: Die Marktfähigkeit von Unternehmen und Mitarbeitern auf dem Prüfstand

Dies wiederum hat Konsequenzen für die Marktfähigkeit. Überträgst Du die Erkenntnisse aus der Epigenetik sowie der Stressforschung auf die Arbeitswelt 4.0, werden nicht nur die Anforderungen und Herausforderungen, sondern auch der Nutzen für die gesamte Organisation inklusive Arbeitsstrukturen, Arbeitsumfeld und die Führung von Mitarbeitenden deutlich.

Epigenetisches Know-how stellt daher auch für die Berufs- und Arbeitswelt einen Schlüsselfaktor dar. In der Praxis kannst Du diese Erkenntnisse zum Beispiel zur zielgerichteten Personalentwicklung und Mitarbeiterführung oder auch zur konstruktiven Bewältigung der digitalen Transformation und anderer Herausforderungen nutzen.

Dr. med. Manuel Burzler, Mitgründer von HealVersity, ist ein Pionier im Bereich der funktionellen Medizin und Epigenetik. Seit der Gründung im Jahr 2020 setzt er seine umfassenden Kenntnisse ein, um HealVersity an die Spitze der innovativen Gesundheitsbranche zu führen.

Unter seiner Leitung hat das Unternehmen nicht nur eine führende Rolle in der Entwicklung von Konzepten für Epigenetik-Coachings eingenommen, sondern bietet auch die erste zertifizierte Fortbildung in diesem Bereich an.

Er verbindet in seiner Arbeit Persönlichkeitsentwicklung mit medizinischer Expertise, um neue Wege für das Wohlbefinden der Menschen zu schaffen.

Dr. med. Manuel Burzler | Epigenetik-Coach
Dr. med. Manuel Burzler
Med. Experte für funktionelle Medizin & Epigenetik
Ausbilder und Gründer
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