Epigenetische Mechanismen: Wie Umwelt & Lebensstil unsere Gene prägen

Epigenetische Mechanismen

Epigenetische Mechanismen haben einen enormen Einfluss darauf, wie unsere Gene aktiviert oder deaktiviert werden. Sie sind wie Schalter, die durch Umwelt und Lebensstil betätigt werden können.

Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch. Dennoch kann sich ihre Ähnlichkeit mit zunehmendem Alter verringern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ihr Leben sehr unterschiedlich verläuft.

Der Grund hierfür liegt in der Epigenetik. Sie bezeichnet die umweltbedingten Veränderungen eines Organismus im äußeren Erscheinungsbild des Genoms. Welche Mechanismen hierbei wirksam werden und durch welche Faktoren diese Veränderungen beeinflusst werden, erfährst Du hier.

Was sind epigenetische Mechanismen?

Epigenetische Mechanismen dienen dazu, dass sich der Organismus an aktuelle Umweltbedingungen anpassen kann, ohne dass sich das Erbgut als solches ändert. Die Anpassung besteht in einer Änderung der Genexpression, also des äußeren Erscheinungsbilds des Genoms.

Ein Beispiel hierfür ist die Bräunung der Haut durch direkte Sonneneinstrahlung. Das UV-Licht der Sonne führt dazu, dass Methylgruppen aus dem Melanin-Gen entfernt werden, das für die Bräunung der Haut verantwortlich ist. Ohne diese Methylgruppen produziert der Körper mehr Melanin und es kommt zur Bräunung der Haut.

Hierbei bleibt zwar die DNA-Sequenz des Organismus gleich, aber die chemische Struktur der einzelnen DNA-Basen ändert sich. Diese genetischen Modifikationen sind jedoch nicht endgültig, sondern können unter bestimmten Umständen weiter verändert oder sogar wieder umgekehrt werden.

Epigenetische Veränderungen können an nachfolgende Generationen vererbt werden

Epigenetik und Vererbung

Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass epigenetisch bedingte Veränderungen an nachfolgende Generationen vererbt werden können. Ein oft zitiertes Beispiel hierfür stammt aus dem Hungerwinter 1944/45, in dem die Frauen in den Niederlanden (wenig überraschend) untergewichtige Kinder zur Welt brachten.

Was jedoch überraschte: Diese Kinder litten in ihrem späteren Leben überdurchschnittlich häufig an Herzproblemen, Übergewicht und Diabetes und darüber hinaus waren auch deren Söhne auffällig oft übergewichtig.

Offenbar wurde das Verhalten der ersten Generation nach dem Hungerwinter (viel essen, um Fettreserven für eine erneute Hungersnot anzulegen) weiter vererbt, obwohl es längst Nahrung im Überfluss gab und es nicht mehr nötig war, einer Hungersnot vorzubeugen.

Epigenetische Mechanismen: 3 Formen

Es gibt verschiedene Formen epigenetischer Modifikationen, die wichtigsten stellen wir im Folgenden vor:

DNA-Methylierung

Der bekannteste Mechanismus ist die sogenannte DNA-Methylierung. Sie hat ihren Namen von den Methylgruppen, die sich in bestimmten DNA-Abschnitten an die informationstragenden Bausteine der DNA, in diesem Fall die Base Cytosin anheften.

Dies geschieht vor allem in den Abschnitten, in denen die Basenabfolge Cytosin-Guanin besonders oft auftritt. Die Anheftung der Methylgruppen wird Methylierung genannt und hat zur Folge, dass die Aktivität der betroffenen Gene unterdrückt wird.

Diese Deaktivierung lässt sich durch bestimmte Enzyme rückgängig machen, die angehängte Methylgruppen wieder entfernen.

Histon-Modifikation

Ein weiterer Mechanismus ist die Histon-Modifikation. Histone sind bestimmte Eiweiße, die zusammen mit der DNA im Zellkern einen Komplex namens Chromatin bilden. Dieser bestimmt die Packungsdichte der DNA und von ihm hängt ab, ob und wie gut die Gene abgelesen werden können.

Das wiederum hat einen Einfluss auf die Produktion bestimmter Eiweiße. Grob gesagt: In dichten, eng gepackten Bereichen ist der Abstand zwischen den Histonen klein, was das Ablesen erschwert, während locker gepackte Bereiche mit größeren Histon-Abständen leichter abzulesen sind.

Der Verpackungszustand ist jedoch veränderbar, zum Beispiel durch epigenetische Prozesse. Auf welche Weise sich der Verpackungszustand ändert, hängt davon ab, welche Stoffe an die Histone angehängt werden.

Hängen sich beispielsweise Phosphatgruppen oder Acetylgruppen an, lockert sich der Zustand und die hier verpackten Gene können (besser) abgelesen werden. Heften sich dagegen Methylgruppen an die Histone an, verdichtet sich das Chromatin.

Expression nicht-kodierender RNAs

RNA (Kurzform für Ribonukleinsäure) ist ein Makromolekül, das dafür zuständig ist, die in der DNA enthaltenen Informationen zu transportieren und zu übersetzen. Gleichzeitig kann es die Genaktivität verändern und ist damit für die Genexpression von großer Bedeutung.

Sogenannte nicht-kodierende RNAs übersetzen zwar die DNA, werden jedoch nicht in Proteine umgeschrieben. Sie haben jedoch einen erheblichen Anteil an der chemischen Veränderung der DNA.

Zwar gehört die Expression nicht-kodierender RNAs somit nicht zu den Hauptmechanismen, aber sie hat aufgrund ihrer regulatorischen Funktion einen Anteil an diesen Vorgängen.

Formen epigenetischer Mechanismen

Einflussfaktoren auf Epigenetik

Epigenetisch bedingte Veränderungen können immer wieder auftreten. Wann, wo und wie das geschieht, ist von zahlreichen Umweltfaktoren abhängig, wie zum Beispiel Ernährung, Stress oder Schadstoffbelastung.

Ernährung

Einige Lebensmittel enthalten Stoffe, die epigenetisch wirksam sind. In grünem Tee ist beispielsweise EGCG enthalten. Der Stoff soll dazu in der Lage sein, bestimmte Gene zu aktivieren und damit das Erkrankungsrisiko für Krebs zu senken.

Das gilt ebenso für bestimmte in Brokkoli enthaltene Stoffe, die einzelne Gene methylieren können und deshalb ebenfalls als “Methylgeber” bezeichnet werden. Der positive Effekt dieser Lebensmittel ist jedoch nur bei einem Verzehr in Maßen zu beobachten. Zu große Mengen haben oft eher einen nachteiligen Effekt auf die Gesundheit.

Stress

Massiver Stress, wie er beispielsweise bei einem frühkindlichen Trauma auftritt, kann ebenfalls die Epigenetik beeinflussen.

Forscher konnten in Tierversuchen nachweisen: Durch Stress werden bestimmte Gene des Stresssystems methyliert, was nicht nur eine lebenslang erhöhte Produktion von Stresshormonen und eine verringerte Stresstoleranz zur Folge haben kann.

Auch das Risiko für einige psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen ist dadurch erhöht. Ähnliche Hinweise gibt es auch aus Studien mit Menschen, allerdings besteht hier noch ein großer Forschungsbedarf.

Schadstoffe aus der Umwelt

Auch Schadstoffe aus der Umwelt, wie zum Beispiel Benzol, können zu epigenetischen Veränderungen führen. Italienische Forscher haben beispielsweise herausgefunden, dass Tankstellenmitarbeiter oder Verkehrspolizisten, die während ihrer beruflichen Tätigkeit viel Benzol über die Atemluft aufnehmen, ein anderes DNA-Methylierungsmuster aufweisen.

Dies ist typisch für eine bestimmte Leukämie-Art und ist – wenn auch bisher nicht zwingend eine Vorstufe der Erkrankung, zumindest ein Warnsignal oder Risikofaktor.

Potenzielle Anwendungen

Das Wissen um diese Veränderungen und das Verständnis der zugrundeliegenden Vorgänge liefert einen wertvollen Beitrag bei der Erforschung der Entstehung, Diagnose und Behandlung verschiedener Krankheiten.

Entstehung von Krankheiten

Bei einigen Krankheiten konnten Forscher fehlerhafte epigenetische Markierungen im Genom nachweisen, zum Beispiel bei der Entwicklung bösartiger Tumore. Hier kann eine Hypermethylierung eines bestimmten Genabschnitts verhindern, dass das Gen nicht mehr abgelesen wird, was eine unkontrollierte Zellteilung zur Folge hat, die als Risikofaktor für die Entstehung von Krebs gilt.

Diagnostische Marker

Auch die Diagnostik kann von der Epigenetikforschung profitieren, denn epigenetisch bedingte Veränderungen können das Erkrankungsrisiko von Menschen erhöhen, sodass sich anhand des epigenetischen Profils Risikogruppen identifizieren lassen.

Treten bei Personen mit dem entsprechenden Marker Symptome auf, lassen sich deren Ursachen möglicherweise schneller identifizieren und die Diagnose beschleunigen, was einen früheren Behandlungsbeginn erlaubt.

Wie beeinflusst Epigenetik neue Therapieansätze?

Diese Veränderungen lassen sich auch bei der Entwicklung neuer Therapien anwenden, zum Beispiel neuer Medikamente. Schon jetzt gibt es Arzneimittel mit sogenannten DNA-Methylierungsinhibitoren, die sich die regulatorische Funktion epigenetisch bedingter Veränderungen zunutze machen.

Hiervon können insbesondere solche Erkrankungen profitieren, für die es bislang keine Heilung gibt oder die auf konventionelle Behandlungsansätze nicht gut ansprechen.

Umgekehrt können epigenetisch bedingte Veränderungen auch selbst einen Einfluss auf die Arzneimittelwirkung haben, was ein Grund dafür sein könnte, dass manche Arzneistoffe bei einem Patienten sehr gut und bei einem anderen überhaupt nicht wirken. 

Dieses Wissen über epigenetische Mechanismen ist für den Therapieverlauf und Behandlungserfolg von großer Bedeutung. Für weitere Informationen und Artikel rund um die Themen Gesundheit und Epigenetik-Coach-Ausbildung besuche unseren Blog.

Dr. med. Manuel Burzler, Mitgründer von HealVersity, ist ein Pionier im Bereich der funktionellen Medizin und Epigenetik. Seit der Gründung im Jahr 2020 setzt er seine umfassenden Kenntnisse ein, um HealVersity an die Spitze der innovativen Gesundheitsbranche zu führen.

Unter seiner Leitung hat das Unternehmen nicht nur eine führende Rolle in der Entwicklung von Konzepten für Epigenetik-Coachings eingenommen, sondern bietet auch die erste zertifizierte Fortbildung in diesem Bereich an.

Er verbindet in seiner Arbeit Persönlichkeitsentwicklung mit medizinischer Expertise, um neue Wege für das Wohlbefinden der Menschen zu schaffen.

Dr. med. Manuel Burzler | Epigenetik-Coach
Dr. med. Manuel Burzler
Med. Experte für funktionelle Medizin & Epigenetik
Ausbilder und Gründer
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