Epigenetisches Prinzip: 8 Phasen der psychosozialen Entwicklung

Epigenetisches Prinzip

Epigenetisches Prinzip: Was ist das? Nach dem “Epigenetischen Prinzip” des Psychoanalytikers Erik H. Erikson folgt der Mensch in seiner Entwicklung einem epigenetisch universellen Grundplan, der aus verschiedenen Stufen von der Geburt bis ins hohe Alter besteht. Auf jeder dieser Stufen muss der Mensch eine Entwicklungsaufgabe (“Krise“) bewältigen, um die nächste Stufe zu erreichen.

Was ist das epigenetische Prinzip nach Erikson?

Das epigenetische Prinzip (manchmal auch epigenetisches Modell genannt) ist die Bezeichnung eines Entwicklungsmodells, das der Psychoanalytiker Erik H. Erikson in der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Das Modell basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung der Menschen nach einem für alle (epigenetisch) gültigen Grundplan abläuft.

Dieser besteht aus einzelnen Entwicklungsaufgaben, die einem bestimmten Lebensalter zugeordnet sind. Erikson nannte sie Krisen oder Konflikte. Der Entwicklungsprozess besteht darin, diese Krisen oder Konflikte nacheinander zu bewältigen. Deshalb wird das epigenetische Prinzip Eriksons in der modernen Pädagogik und Psychologie als “Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung” bezeichnet.

Wie funktioniert das epigenetische Prinzip?

Epigenetisches Prinzip und Epigenetik

Auch wenn die Begriffe “Epigenetisches Prinzip” und “Epigenetik” verwandt sind und einen inhaltlichen Zusammenhang nahelegen, gibt es kaum Verbindungen zwischen ihnen.

Es handelt sich um zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte, die nicht nur aus ganz anderen Zeiten, sondern auch aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen stammen:

Eriksons epigenetisches Prinzip ist ein Entwicklungsmodell, das auf der Idee basiert, dass die Entwicklung jedes Menschen in bestimmten Phasen verläuft, in denen individuelle Krisen zu bewältigen sind. Wie jedes Modell dient es dazu, gewisse Vorgänge oder Beobachtungen zu erklären.

Anwendungsmöglichkeiten finden sich zum Beispiel in der psychologischen Beratung oder speziellen Kursen, die von einem Gesundheitscoach angeboten werden.

Demgegenüber bezieht sich die moderne Epigenetik auf Änderungen in der Genexpression (epigenetische Modifikation), die nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz (genetische Modifikation) zurückzuführen sind.

Epigenetische Mechanismen werden in den letzten Jahren verstärkt wissenschaftlich untersucht, um beispielsweise zu erfahren, ob und wie genetische Modifikation und epigenetische Modifikation zusammenhängen und welche Faktoren die Epigenetik beeinflussen können.

Das Wissen um epigenetische Mechanismen und wie sich Epigenetik beeinflussen lässt, kann für Diagnostik und Therapie wichtig sein – nicht nur im schulmedizinischen Kontext, sondern auch für einen Gesundheitscoach oder Epigenetik Coach.

Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit: Bei beiden Konzepten spielen Umwelteinflüsse eine große Rolle, auf die der Organismus mit Anpassung und Veränderung reagiert. Möglicherweise lassen sich hieraus Fragestellungen ableiten, die mithilfe interdisziplinärer Forschung beantwortet werden können.

Das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung

Das Modell nimmt mehrere Entwicklungsstufen an, die nacheinander ablaufen und jeweils einem bestimmten Lebensalter zugeordnet sind. Jede Stufe ist durch eine spezifische Krise gekennzeichnet, die gleichzeitig eine Entwicklungsaufgabe darstellt.

Anders ausgedrückt: Um die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen, muss das Individuum die Krise bewältigen. Je nach der Krise ist hierzu teilweise die Interaktion mit anderen nötig. Gelingt dies nicht, drohen psychische Probleme, die sich auf alle späteren Entwicklungsstufen auswirken können.

Die 8 Phasen der psychosozialen Entwicklung

Insgesamt besteht das Modell aus acht Stufen, in denen unterschiedliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen sind, die sich durch einen bestimmten Merksatz beschreiben lässt.

Phase 1: Vertrauen vs. Misstrauen (1. Lebensjahr)

Das Neugeborene muss lernen, der Mutter als wichtigste Bezugsperson zu vertrauen (Ur-Vertrauen), die seine Grundbedürfnisse (Nahrung, Pflege, Schutz, Liebe) erfüllt.

Merksatz:

“Ich bin, was man mir gibt.”

Phase 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel (2.-3. Lebensjahr)

Das Kind erwirbt neue Fähigkeiten, die es unabhängiger machen (z.B. Gehen, Sprechen) und entwickelt Gefühle wie Liebe und Hass, Scham oder Zweifel. Es merkt, dass es Dinge erschaffen, aber auch zerstören kann.

Merksatz:

“Ich bin, was ich will.”

Phase 3: Initiative vs. Schuld (4.-6. Lebensjahr)

Das Kind lernt den Unterschied zwischen Gut und Böse, Fantasiewelten, in denen es alles kann, und der Wirklichkeit, in der es Verbote gibt, die es akzeptieren muss. Es entwickelt ein Moralgefühl und entscheidet, was es möchte.

Merksatz:

“Ich bin, was ich mir zu werden vorstellen kann.”

Phase 4: Eifer, Leistung vs. Unterlegenheit oder Minderwertigkeit (6. Lebensjahr bis Pubertät)

Das Kind entdeckt die Welt durch Mit- und Nachmachen, es erlebt Konkurrenz und Wettkampf, aber auch den Zusammenhang zwischen Leistung und Anerkennung.

Merksatz:

“Ich bin, was ich lerne.”

Epigenetisches Prinzip

Phase 5: Ich-Identität vs. Rollenverwirrung (Pubertät und Adoleszenz)

Der Jugendliche entwickelt ein Selbstbild und beschäftigt sich damit, wie wichtige Bezugspersonen (Freunde) über ihn denken. Dies und die soziale Ablösung von den Eltern helfen ihm, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Merksatz:

“Ich bin ich selbst.”

Phase 6: Intimität vs. Isolation (Frühes Erwachsenenalter)

Der junge Erwachsene sucht nach Intimität und Nähe, intime Freundschaften und Beziehungen werden aufgebaut.

Merksatz:

“Ich bin, was ich für andere Menschen bin.”

Phase 7: Zeugung, Entwicklung vs. Stagnation (Erwachsenenalter)

Der Erwachsene kümmert sich um die nächste Generation, indem er Leben, Liebe und Wissen weitergibt.

Merksatz:

“Ich bin, was ich bereit bin, zu geben.”

Phase 8: Integrität vs. Verzweiflung (Spätes Erwachsenenalter)

Der Mensch blickt auf sein Leben zurück und nimmt es an, sodass er keine Angst vor dem Tod hat.

Merksatz:

“Ich bin, was ich als sinnhaft empfinde.”

Das epigenetische Prinzip und seine Bedeutung

Das epigenetische Prinzip bzw. Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung ist weltberühmt, denn es hat nicht nur in der Entwicklungspsychologie eine große Bedeutung, sondern auch für die pädagogische Praxis / Elternschaft und die therapeutische Anwendung.

1. Für die Entwicklungspsychologie

Eriksons Modell hat maßgeblich zum Verständnis der menschlichen Entwicklung über die Lebensspanne beigetragen. Zum einen betont es – anders als andere Entwicklungsmodelle – die Bedeutung sozialer und kultureller Einflussfaktoren auf die individuelle Entwicklung.

Zum anderen bietet es einen guten Rahmen für die komplexen Wechselwirkungen zwischen den individuellen, sozialen und kulturellen Faktoren, die einen Einfluss auf die psychosoziale Entwicklung eines Individuums haben. In der damaligen Zeit war auch neu, dass jede Stufe in dem Modell eine notwendige Voraussetzung für den Eintritt und erfolgreichen Abschluss der nächsten Phase darstellt.

Eine solche Form der Entwicklungssequenz veränderte das Bewusstsein und Verständnis über die Natur der Entwicklung.

2. Für die pädagogische Praxis und Eltern

Das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung kann Eltern und Erziehern helfen, die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen in verschiedenen Entwicklungsstufen zu erkennen und entsprechend zu unterstützen.

Dazu gehört, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Kompetenzen entwickeln und Herausforderungen bewältigt werden können. Das Wissen um die sequenzielle Natur der Entwicklung kann hilfreich sein, um realistische Ziele zu setzen – eine wichtige Voraussetzung für Entwicklung.

Die in dem Modell immer wieder betonte große Bedeutung sozialer Beziehungen und Interaktionen kann als Leitfaden für Erzieher und Eltern dienen, die ihre Kinder bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen unterstützen möchten.

3. Für die Therapie

Im therapeutischen Kontext kann das Modell genutzt werden, um mögliche Ursprünge von psychischen Problemen zu verstehen. Es lassen sich individuelle Behandlungspläne entwickeln, die sich auf die Bewältigung ungelöster Krisen aus den einzelnen Entwicklungsphasen konzentrieren.

Die Behandlungspläne zielen darauf ab, die Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz zu fördern und mit dem Erleben positiver sozialer Beziehungen das psychosoziale Gleichgewicht (wieder) zu erlangen.

Dr. med. Manuel Burzler, Mitgründer von HealVersity, ist ein Pionier im Bereich der funktionellen Medizin und Epigenetik. Seit der Gründung im Jahr 2020 setzt er seine umfassenden Kenntnisse ein, um HealVersity an die Spitze der innovativen Gesundheitsbranche zu führen.

Unter seiner Leitung hat das Unternehmen nicht nur eine führende Rolle in der Entwicklung von Konzepten für Epigenetik-Coachings eingenommen, sondern bietet auch die erste zertifizierte Fortbildung in diesem Bereich an.

Er verbindet in seiner Arbeit Persönlichkeitsentwicklung mit medizinischer Expertise, um neue Wege für das Wohlbefinden der Menschen zu schaffen.

Dr. med. Manuel Burzler | Epigenetik-Coach
Dr. med. Manuel Burzler
Med. Experte für funktionelle Medizin & Epigenetik
Ausbilder und Gründer
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