Epigenetische Modifikation: Mechanismen und Anwendungsbereiche

Epigenetische Modifikation

Epigenetik beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Genexpression durch Umweltfaktoren verändern kann. Genexpression definiert die äußerliche Darstellung des Genotyps, oder anders formuliert, wie genetische Informationen sichtbar werden.

Dabei spielen Faktoren wie Ernährung, Stress oder Schadstoffe in der Umwelt eine wichtige Rolle. Sie können chemische Veränderungen an der DNA hervorrufen und dabei helfen, Genexpression zu regulieren, ohne dass eine Veränderung der DNA-Sequenz notwendig ist.

Diese Veränderungen können tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Erkrankungsrisiko sowie die Anpassungsfähigkeit des Organismus auf sich verändernde Umweltbedingungen haben.

Was ist epigenetische Modifikation?

Epigenetische Modifikationen bezeichnen Veränderungen in der Genaktivität, die ohne eine Anpassung der DNA-Sequenz auftreten. Umweltfaktoren, welche bestimmte Mechanismen auslösen, tragen zur Anpassung des Organismus an seine Umgebung bei.

Ein alltägliches Beispiel für eine epigenetische Modifikation ist die Bräunung der Haut nach einem Sonnenbad. Erklärung: Dabei ändert die Hautfarbe, eigentlich genetisch bestimmt, ihr Erscheinungsbild (ihre Genexpression) aufgrund von Umwelteinflüssen. Die DNA-Sequenz, zuständig für die Hautfarbe, bleibt jedoch unverändert.

Verändernde Umweltbedingungen

Unterschied zur Genetik

Sowohl epigenetische als auch genetische Modifikationen beziehen sich auf Veränderungen, die einen Einfluss auf Funktion und Expression der Gene ausüben. Aber dies geschieht auf unterschiedliche Weise: Geninformationen werden durch die DNA-Sequenz selbst vererbt und sind relativ stabil. Eine Veränderung ist nur durch Mutation der DNA möglich. 

Epigenetische Veränderungen können darüber hinaus durch Umweltfaktoren beeinflusst werden und sind somit nicht nur anpassungsfähig, sondern sogar reversibel.

Epigenetische Mechanismen

Bei epigenetischer Veränderung lassen sich verschiedene Mechanismen unterscheiden. Die wichtigsten beiden sind DNA-Methylierung und Histon-Modifikation:

  • DNA-Methylierung: Bei diesem Prozess werden Methylgruppen an bestimmte DNA-Abschnitte angehängt, was häufig zu einer Unterdrückung der Genexpression führt. Oder anders ausgedrückt: Indem Methylgruppen angefügt werden, werden Gene deaktiviert. Die DNA-Methylierung ist unter anderem sehr wichtig für das Zellwachstum und die Entwicklung und Differenzierung von Organismen.
  • Histon-Modifikation: Histone sind Proteine, um die der DNA-Strang gewickelt ist. Sie spielen eine entscheidende Rolle für die Genzugänglichkeit, denn sie können die Chromatinstruktur verändern. Chromatin ist ein Komplex aus DNA-Molekül und Proteinen. Je nachdem, welche Struktur dieser Komplex hat, ändert sich die Genexpression.

Anwendungsbereiche epigenetischer Mechanismen

Epigenetik liefert wichtige Hinweise darauf, wie Genexpression reguliert wird. Diese Erkenntnisse sind in vielen Bereichen von großer Bedeutung, insbesondere für Medizin und Gesundheitswesen. Eine der wichtigsten Anwendungen in der Epigenetik ist die Forschung zum Krebs (Onkologie). 

Krebszellen zeigen oft epigenetische Veränderungen (beispielsweise DNA-Methylierung), welche einen Einfluss auf bestimmte, für die Erkrankung relevante Gene haben. Die Erforschung dieser Veränderungen kann zur Entwicklung neuer Diagnose-Instrumente beitragen, indem beispielsweise bestimmte DNA-Marker zur Früherkennung von Krebs genutzt werden. 

Auch für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze sind diese Mechanismen wichtig. Mit diesem Wissen aus der Epigenetikforschung lassen sich zum Beispiel Medikamente entwickeln, welche zielgerichtet solche Änderungen beeinflussen.

Neben der Onkologie können noch weitere medizinische Disziplinen wie die Neurowissenschaft von epigenetischer Veränderung profitieren. 

Hier geht es zum Beispiel darum, welche Rolle die Regulation bestimmter Gene bei neurologischen und psychiatrischen Störungen wie Alzheimer-Demenz, Depressionen oder Schizophrenie spielt. Epigenetikforschung könnte uns helfen, besser zu verstehen, wie beispielsweise Krankheiten entstehen. Damit könnten wir auch neue Wege finden, um sie zu behandeln.

Auch in der Pflanzenzucht spielt Epigenetik eine wichtige Rolle. Pflanzen sind verschiedensten Umweltfaktoren ausgesetzt, wie Temperaturschwankungen, Trockenheit oder Schädlingsbefall. 

Epigenetische Mechanismen können Genexpression der Pflanzen an diese Umweltbedingungen anpassen und diese vor möglicherweise negativen Einflüssen schützen, ohne ihre DNA-Sequenz zu verändern. Eine weitere mögliche Anwendung ist die Steuerung der Blütezeit und Fruchtreifung, von denen letztlich Ertrag und Qualität der Ernte abhängen.

Stress kann die Gene verändern

Einfluss der Umwelt

Auch wenn die Forschung hierzu noch lange nicht abgeschlossen ist, konnten Wissenschaftler bereits verschiedene Umweltfaktoren identifizieren, welche Änderungen in der Epigenetik beeinflussen können. Hierzu gehören vor allem Faktoren, welche den persönlichen Lebensstil ausmachen, wie zum Beispiel:

  • Ernährung: Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie zeigten, dass fettreiche Nahrung und eine lange Tageslichtdauer entsprechende DNA-Markierungen in Wildmäusen veränderten. Konkret änderte sich die Markierung der Stoffwechselgene in der Leber der Mäuse, was dazu führte, dass diese die energiereiche Nahrung effektiver verwerten konnten.
  • Bewegung: Regelmäßiger Sport ist nicht nur gesund, sondern ist offenbar auch epigenetisch wirksam. Darauf deutet zum Beispiel eine Studie dänischer Wissenschaftler hin, die Epigenetikunterschiede bei sportlichen Männern nachweisen konnten. Zwar blieb die DNA-Sequenz selbst unverändert, durch eine andere Methylisierung der DNA verändert sich jedoch die Lesbarkeit der Gene.

Weitere Umweltbedingungen und ihre epigenetischen Auswirkungen

  • Nikotin: Rauchen ist nicht nur auf vielen Ebenen ungesund, es hinterlässt auch Spuren in der Genexpression. Amerikanische Forscher untersuchten Gendaten von über 15.000 Personen und fanden heraus, dass die DNA-Methylierung von Rauchern und Nichtrauchern in über 1.400 Genen Unterschiede aufwies. Hiervon betroffen waren auch zahlreiche Gene, welche mit verschiedenen Krankheiten wie Krebs, Herz- und Lungenerkrankungen sowie entzündlichen Erkrankungen assoziiert werden.
  • Alkohol: Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in Studien mit Alkohol. Forscher von der Medizinischen Hochschule Hannover konnten zeigen, dass sich das Methylierungsmuster bestimmter Gene von alkoholabhängigen und gesunden Kontrollpersonen unterscheidet. Besonders problematisch: Auch wenn die DNA-Sequenz selbst nicht betroffen ist, können alkoholbedingte epigenetische Veränderungen eine erbliche Veranlagung für Suchterkrankungen erhöhen. Mit anderen Worten: Kinder von Suchtkranken haben ein erhöhtes Risiko, selbst (alkohol)abhängig zu werden.

Doch nicht nur der Lebensstil oder Lebensereignisse, auch äußere Umweltbedingungen können epigenetisch wirksam sein und entsprechende Veränderungen begünstigen. Eine dieser Bedingungen ist – zumindest im Tierversuch – die Populationsdichte.

Bisherige Erkenntnisse tragen zum Verständnis für die Entstehung von Krankheiten bei und liefern wertvolle Hinweise für eine Identifizierung von Risikogruppen. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um neue, im Idealfall individualisierte Präventionsmaßnahmen und Behandlungsansätze zu entwickeln und anzuwenden.

Chancen und Herausforderungen

Epigenetikforschung birgt immense Chancen – sowohl in der Biomedizin als auch in der Landwirtschaft. Im medizinischen Bereich liegt eine der größten Potenziale in der Möglichkeit, neues Wissen über die Genexpression und -regulation zu generieren, das zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze und Medikamente genutzt werden kann. 

Damit eröffnen sich neue Behandlungsstrategien für eine Vielzahl von Krankheiten, welche bislang noch nicht heilbar sind, wie zum Beispiel Krebs, neurologische oder Autoimmunerkrankungen. 

Auch besteht die Chance, durch das neue Verständnis individuelle Ansätze zu nutzen – nicht nur in der Behandlung, sondern auch schon in der Prävention.

In der Landwirtschaft kann das Wissen um epigenetisch wirksame Mechanismen dazu beitragen, Pflanzen zu züchten, die besser an sich verändernde Umweltbedingungen angepasst sind, sodass eine Produktion von Nahrungsmitteln auch zukünftig gesichert ist. Dies ist angesichts des Klimawandels und der Bedrohung durch Schädlinge von besonderer Bedeutung.

Trotz ihres Potenzials ist die Epigenetikforschung auch mit großen Herausforderungen verbunden. Angesichts der Komplexität der epigenetischen Regulation ist eine Erforschung und Anwendung nicht leicht. Neben diesen wissenschaftlichen Herausforderungen gibt es aber auch ethische Fragen, welche zu berücksichtigen sind. 

Hierzu gehören beispielsweise unvorhergesehene Aus- und Nebenwirkungen der epigenetischen Modifikationen, welche mit hohen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sein können. Insbesondere im Hinblick auf Anwendungen im Humanbereich sind Manipulations- und Missbrauchsgefahren zu diskutieren.

HealVersity Epigenetik

Dr. med. Manuel Burzler, Mitgründer von HealVersity, ist ein Pionier im Bereich der funktionellen Medizin und Epigenetik. Seit der Gründung im Jahr 2020 setzt er seine umfassenden Kenntnisse ein, um HealVersity an die Spitze der innovativen Gesundheitsbranche zu führen.

Unter seiner Leitung hat das Unternehmen nicht nur eine führende Rolle in der Entwicklung von Konzepten für Epigenetik-Coachings eingenommen, sondern bietet auch die erste zertifizierte Fortbildung in diesem Bereich an.

Er verbindet in seiner Arbeit Persönlichkeitsentwicklung mit medizinischer Expertise, um neue Wege für das Wohlbefinden der Menschen zu schaffen.

Dr. med. Manuel Burzler | Epigenetik-Coach
Dr. med. Manuel Burzler
Med. Experte für funktionelle Medizin & Epigenetik
Ausbilder und Gründer